Und trotzdem war es wegen der bürokratischen Schranken recht schwer,
die Flugzeuge an China zu verkaufen. Um die bürokratischen Hindernisse
zu überwinden, bat Simonow den damaligen amtierenden
Ministerpräsidenten Jegor Gajdar um ein persönliches Treffen. Dem
Treffen wohnte der Handelsminister Pjotr Awen bei. Dieser erklärte:
"Ihr werdet es zu nichts bringen. Ihr, die Konstrukteure, seid Laien
und habt keine Ahnung vom Auslandsmarkt. Man muss Marktprofis
zwischenschalten."
Damals erfuhr Simonow, dass gegen ihn eine Anzeige beim
Sicherheitskomitee gemacht worden war - mit der Beschuldigung,
Staatsgeheimnisse verkaufen zu wollen. Was sollte man tun, wenn man von
heute auf morgen als Schwindler abgestempelt wird?
Da kam Simonow auf den Gedanken, sich direkt an Präsident Boris Jelzin
zu wenden. Dieser unterstützte die Idee und gab Simonow und Beljakow,
Generalkonstrukteur des Konstruktionsbüros Mikojan, eine Carte blanche.
Das Geschäft mit China brachte Suchoj satte Erlöse, aus denen der Kauf neuer Computeranlagen finanziert wurde.
Des Weiteren nahm Simonow den arabischen Markt ins Visier und reiste in
die Vereinigten Arabischen Emirate. Bei einer Flugschau in Dubai flog
Oberst Khaled mit einer Su-27. Nach dem Flug sagte er: "Eine gute
Maschine, aber wir brauchen sie nicht. "Warum? Sie übertrifft doch die
amerikanische F-15?", fragte Simonow schwer beleidigt. "Stimmt",
antwortete Khaled. "Aber Ihr Flugzeug kann keine Fregatte in den Grund
bohren". "Wollen wir die Frage anders formulieren", sagte Simonow.
"Sagt, was Ihr von diesem Flugzeug wollt, und wir machen das."
So entstanden neue technische Anforderungen an die Su-27. Sie ergaben
sich aus dem US-Einsatz "Desert Storm", der in der Nähe der Arabischen
Emirate durchgeführt worden war. Deshalb wollte das Land nicht nur
einen Abfangjäger haben, sondern ein Mehrzweckflugzeug, das sowohl ein
Fla-Raketensystem als auch einen unterirdischen Bunker zerstören als
auch eine Fregatte in den Grund bohren kann. All diesen Anforderungen
entsprach die neue Maschine unter dem Namen Su-35.
Und trotzdem kam das Geschäft nicht zustande, weil im Nahen Osten
damals ein anderes Land waltete. "Doch Oberst Khaled gab uns den Tip,
wer uns helfen könne: Indien", erzählt Simonow.
Nach einem halben Jahr kam der indische Premierminister und sechs
Monate später der Vizemarschall der indischen Luftwaffe, Sriniwasapuram
Krishnaswamy, nach Russland, ein gebildeter und begabter Mann, erzählte
Simonow. "Mit ihm sprachen wir über den Bau eines Kampfjets für die
indischen Luftstreitkräfte. Das war keine Su-35 mehr, sondern eine
neue, modernere Maschine mit Schubvektor-Steuerung und anderen
Neuentwicklungen, die weltweit nicht ihresgleichen hatten.
Wir zeigten Krishnaswamy das Flugzeug. Dieser ging um die Maschine
herum und sagte plötzlich: "Scheiße". Daraufhin sagte Simonow, er habe
viel zu tun, und fuhr weg. Mit weiteren Gesprächen mit der indischen
Delegation beauftragte Simonow seinen Vize.
Wenige Tage später klingelte bei Simonow das Telefon. "Der Marschall
der Luftwaffe Herr Krishnaswamy lädt Sie zu einem Empfang ein, der
Ihnen zu Ehren gegeben wird", teilte der indische Militärattaché mit.
"Ich ging hin", erzählte Simonow. "Der Marschall begrüßte mich vor der
Tür und sagte: "Sehr geehrter Herr Simonow, ich bitte um Entschuldigung
für mein übereiltes Urteil. Ihr Flugzeug ist klasse. Wir würden es
gerne kaufen."
Suchoi Su-30 MK bei der Landung
Die Lieferung der Mehrzweckjäger Su-30 MKI an Indien brachte Russland Erlöse von mehr als zwei Milliarden Dollar.
Diesmal traf ich Michail Simonow bei der internationalen Flugschau Le
Bourget nahe Paris. Bei der Schau beobachtete ich den Kunstflug des
Jägers Su-27SKM (Generation 4+). "Wie immer es auch sei, die russischen
Konstrukteure haben es nicht verlernt, gute Jagdflugzeuge zu bauen",
dachte ich. Die Kunstflugfiguren der Su-27SKM am Pariser Himmel konnte
keiner nachvollziehen. Der französische Jet Eurofighter Typhoon
zeichnete parallele Linien und kompliziertere Figuren an den Himmel.
Das war beeindruckend. Doch zu den Kunstflugfiguren wie
Pugatschow-Kobra oder Glocke war weder der europäische Superjet noch
der amerikanische F/A-18E/F Super Hornet in der Lage.
Die Su hingegen tanzte auf dem Heck. Wer einmal das Kobra-Manöver
gesehen hat, der wird mich verstehen. Das 25 Tonnen schwere
Jagdflugzeug kommt zuerst im Steigflug zum Stehen, kippt mit dem Bug
zurück und fliegt einige Zeit weiter - mit dem Heck nach vorne. Beim
Glocke-Manöver schaltet der Jet im Steigflug die Triebwerke faktisch ab
und kommt im höchsten Punkt zum Stehen, sackt dann langsam ab, kippt
mit dem Bug nach vorne und beschleunigt wiederum im Horizontalflug.
Neben der Veranschaulichung der Wendigkeit moderner Kampfjets soll das
Manöver im Luftnahkampf dazu dienen, mittels plötzlicher Reduzierung
der Fluggeschwindigkeit den verfolgenden Gegner zum Überholen zu
zwingen, um so selbst in eine günstige Schussposition zu gelangen.
Von meiner Begeisterung erzählte ich dem Generalkonstrukteur des
Konstruktionsbüros Suchoj, Michail Simonow, der neben mir stand. Seine
Antwort machte mich ratlos: "Ja, die Manöver unseres Jagdflugzeugs
beeindrucken. Sie bringen aber auch auf trübe Gedanken: Warum treten
wir immer wieder nur mit den Jagdflugzeugen an?"
Die Worte des bekannten Konstrukteurs ließen meine Euphorie wieder in
Ernüchterung umschlagen. Tatsächlich: Die Hauptattraktion der Flugschau
in Le Bourget war das Großraumflugzeug Airbus A380-800, das bis zu 990
Passagieren Platz bietet.
Die Zivilluftfahrt schlägt in der internationalen Flugzeugbauindustrie
ein neues Kapitel auf, sagte Simonow. "Wir haben gegenwärtig lediglich
zwei neue Projekte für Passagierflugzeuge", erzählte er. Die Su-80 für
30 Passagiere und das Mittelstreckenflugzeug RRJ (Russian Regional
Jet), das von der Suchoj-Tochter "Suchoj-Zivilflugzeuge" entwickelt
wurde. Der RRJ-Jet bietet 65 bis 90 Passagieren Platz und soll ab 2008
eingesetzt werden. "Das wäre alles", sagte Simonow. "Die Il-96-300 wird
nur von der Gruppe Rossija betrieben, welche die Administration des
Präsidenten und die Regierung bedient. Die Il-86 darf seit langem weder
nach Europa noch in die USA, weil sie zu viel Lärm verursacht und die
Umwelt verunreinigt."
Anfang der 1990er Jahre hatte Russland das Konzept eines
Großraumflugzeuges unter der Bezeichnung KR-680 entwickelt. Doch damals
lebte die russische Flugzeugbauindustrie von der Hand in den Mund und
das Projekt wurde auf Eis gelegt.
Das Suchoj-Werk konnte dank den Jagdflugzeugen überleben. Die größten
Abnehmer sind neben Indien und China auch Malaysia, Indonesien,
Algerien und Vietnam. In den zurückliegenden drei Jahren kauften diese
Staaten 150 hochmoderne Maschinen der Marke Su. Die russische Luftwaffe
kaufte in dieser Zeit lediglich sieben modernisierte Su-27SKM. Außerdem
stellen Peking und Delhi die Su nun auch selbständig - nach russischer
Lizenz - her.
Michail Simonow zufolge könnte Russland sein Projekt des
Großraumflugzeuges gemeinsam mit China und Indien umsetzen. Russland
würde seine Technologien und Erfahrungen anbieten, Indien und China im
Gegenzug Geld und ein qualifiziertes Management
Suchoi Su-27 SM der russischen Streitkräfte auf der MAKS 2005
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